Klima-Dilemma

Die wichtigste Grundlage des Klimaschutzes ist reduzierter Konsum

Klimacamp Nachricht (c) Garnet Manecke
Datum:
Di. 29. Aug. 2017
Von:
Garnet Manecke
Das Klimacamp Rheinland 2017 ist in dieser Woche zu Ende gegangen. Allein bei Erkelenz kamen 3500 Klimaschützer zusammen, um gegen den Braunkohleabbau zu demonstrieren.
Klimacamp Quadrat (c) Garnet Manecke

 Aber nicht nur die emissionsstarke Braunkohleenergie ist ein Klimakiller. Mobiltelefone, Autos, Kleidung, Nahrung: Der moderne Alltag schädigt auf verschiedene Weisen Klima und Umwelt. Wie haben die Campbewohner diesen Widerspruch gelöst?

3500 Menschen essen, waschen sich, telefonieren, reisen an und ab, legen viele Kilometer zu den Orten ihrer Demonstrationen zurück. Sie müssen irgendwo vor Regen und Wind geschützt schlafen, sie füttern Medien, Teilnehmer und Unterstützer online mit Neuigkeiten, kurz: Auch Klima-Aktivisten benötigen Energie. Wobei es nicht nur um den direkten Stromverbrauch geht. Die Herstellung von technischen Geräten, Kleidung, Nahrungs- und Genussmitteln ist oft auch ethisch bedenklich. Wie die Klimaschützer damit umgehen, zeigt ein Besuch im Camp bei Erkelenz.

 

Stromversorgung

Als erstes fällt die Stromversorgung auf. Zwei Pressezelte gibt es im Klimacamp, in jedem werden Arbeitsplätze mit Stromversorgung angeboten. Frauen und Männer sitzen an den langen Holztischen, vor sich ihre Laptops. Der Gedanke, dass der Strom vielleicht doch von einem der Braunkohlekraftwerke in der Gegend stammt, liegt nahe. Aber den Klimaschützern geht es nicht nur um den Protest. „Die Braunkohle ist die emissionsreichste Energiegewinnung“, sagt Pressesprecherin Johanna Winter. „80 Prozent der Kohlendioxid-Emission kommen von der Kohle. Zudem zerstört der Abbau die Umwelt.“ Schon 2007 ließ der Deutsche Bundestag seine wissenschaftlichen Dienste in einer Ausarbeitung die CO2-Bilanzen der verschiedenen Arten der Energiegewinnung nebeneinanderstellen. Zwischen 980 und 1230 Gramm Kohlendioxid pro Kilowattstunde Strom pustet ein Braunkohlekraftwerk über seine gesamte Laufzeit in die Luft. Bei Photovoltaik sind es 80 bis 160 Gramm, Windenergie kommt auf acht bis 16 Gramm. „Bei Windenergie kann man unter den Anlagen noch Landwirtschaft betreiben, beim Tagebau ist der Boden weg. Da geht gar nichts mehr“, zeigt Winter auf. Der Beweis ist nur wenige Meter entfernt: Hier drehen sich Windräder inmitten der Felder. Auch im Camp setzen die Klimaschützer auf vergleichsweise sauberen Strom: Umringt von den weißen Zelten ist ein Feld mit Solarzellen aufgestellt. Von hier aus führen die Stromleitungen in die Zelte. In Workshops lernen die Teilnehmer zudem, wie man eigene kleine Windkraftwerke für den heimischen Garten baut. „Die Stromerzeugung sollte demokratisiert werden“, meint Johanna Winter. „Es gibt noch viel zu wenig Solarzellen auf privaten Hausdächern.“ Auch im Alltag lasse sich viel Strom sparen. „Statt sich alleine zu Hause einen Film anzusehen, kann man sich mit Freunden treffen und zusammen schauen“, sagt Winter. So laufe nur ein elektronisches Gerät und viele hätten etwas davon.

 

Smartphone, Laptop, Handy und Co.

Ein Protest, den keiner bemerkt, ist sinnlos. Auch die Klima-Aktivisten nutzen die modernen Mittel der Kommunikation: Sie informieren Camp-Teilnehmer und Öffentlichkeit über soziale Medien, surfen im Internet nach Informationen, sind mobil erreichbar. Und hier liegt die nächste Krux. Denn für die Herstellung von Laptops, Handys und Smartphones werden in afrikanischen Minen Rohstoffe abgebaut – unter menschenverachtenden Bedingungen. Im Kongo schürfen Kinder nach Kobalt, das für die Herstellung der Akkus gebraucht wird. Auch der Rohstoff Coltan, der in den Kondensatoren Verwendung findet, wird aus afrikanischen Minen geholt. Um viele Metalle und seltene Erden, die für die Produktion mobiler Geräte benötigt werden, werden in den Herkunftsländern blutige Konflikte geführt. Bei der Produktion werden seltene Erden abgebaut und Wasser mit Chemikalien verschmutzt. Wie stehen die Klimaschützer dazu? „Man muss sich immer fragen, welches Gerät ich wirklich brauche“, sagt Johanna Winter. „Ich zum Beispiel nutze ein einfaches Handy. Wie viele hier ein Smartphone haben, kann ich nicht sagen.“ Schaut man sich im Klimacamp um, fällt auf, dass elektronische Geräte das Bild nicht stören. Die meisten Laptops an den Arbeitsplätzen sind deutlich in die Jahre gekommen, die Menschen sitzen zusammen und unterhalten sich. Keiner schaut auf einen mobilen Bildschirm.

 

Zelte, Isomatten und Funktionskleidung

Drei Zirkuszelte, mehrere Versorgungszelte und schließlich die individuellen Übernachtungszelte: Das alles wird aus technischen Textilien hergestellt, in denen Kunststoffe verarbeitet sind. Deshalb sind die Zelte zum Beispiel wasserdicht. Bei der Herstellung werden Chemikalien verwendet, und es wird Energie verbraucht. Dazu sind die Materialien nicht biologisch abbaubar. Gleiches gilt für die Isomatten. Funktionskleidung steht zudem im Verdacht, die Meere mit Mikropartikeln von Plastik zu verunreinigen, die sich bei jedem Waschgang lösen und von den Klärwerken nicht aufgefangen werden können. „Das System des Sharings muss sich gesellschaftlich stärker etablieren“, sagt Winter dazu. Die Zelte gehören nicht den Camp-Organisatoren. „Die sind geliehen und werden auch von anderen Veranstaltern genutzt.“ Auch eine lange Haltbarkeit der Dinge, die man nutze, trage zum Klimaschutz bei. „Hersteller müssen wieder darauf achten, dass ihre Produkte haltbarer sind“, sagt Winter. Das gelte zum Beispiel auch für Bekleidung. Aber auch hier müsse es ein gesellschaftliches Umdenken geben. „Wir müssen uns alle fragen, was wir wirklich brauchen“, sagt sie. „Das ist viel weniger, als man glaubt.“

 

Auto und Verkehr

Mit dem Auto anzureisen, um für den Klimaschutz zu demonstrieren, ist paradox. Das wissen die Klimaschützer. Von Anfang an haben die Organisatoren deshalb eine Mitfahrzentrale eingerichtet, in der sich Teilnehmer zusammentun können. Im Infozelt hängt eine Wand, an der sich Fahrer und Mitfahrer finden. Aber es ist nur ein kleiner Teil der Teilnehmer, der mit dem Auto anreist: Die Fläche vor dem Camp ist ein großer Fahrradparkplatz. Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln gekommen ist, legt die letzten Kilometer zu Fuß zurück.

Solarzellen (c) Garnet Manecke
Laptop (c) Garnet Manecke