Gemeinsame Stellungnahme zur Neuen Leitentscheidung vom März 2021

zur "Leitentscheidung 2021: Neue Perspektiven für das Rheinische Braunkohlerevier“ der Landesregierung NW

Tagebau Garzweiler (c) Bild von DarkmoonArt_de auf Pixabay
Datum:
Do. 27. Mai 2021
Von:
Katholikenrat Düren

Sehr geehrte Damen und Herren,
Im Beteiligungsverfahren zum „Entwurf einer neuen Leitentscheidung: Neue Perspektiven für das Rheinische Braunkohlerevier“ hatten die evangelischen Kirchenkreise Jülich, Gladbach-Neuss und Aachen gemeinsam mit dem Diözesanrat der Katholiken im Bistum Aachen kritisch Stellung genommen. Auch das Bischöfliche Generalvikariat Aachen und der Katholikenrat der Region Heinsberg hatten eine eigene Eingabe verfasst und versandt.

Nun hat die Landesregierung NW am 23. März 2021 abschließend die „Leitentscheidung 2021: Neue Perspektiven für das Rheinische Braunkohlerevier“ beschlossen.

Eine wichtige Änderung gegenüber dem Entwurf betrifft die bergbauliche Inanspruchnahme von Keyenberg, Kuckum, Unter- und Oberwestrich und Berverath. Sie soll nun nicht vor Ende 2026 erfolgen. Ob die Dörfer und das zugehörige Gelände überhaupt dem Tagebau zum Opfer fallen, soll erst nach der Überprüfung des energiewirtschaftlichen Erfordernisses im Jahr 2026 endgültig entschieden werden. Dies erscheint uns einerseits im Hinblick auf die betroffenen Menschen und andererseits vor dem Hintergrund der sog. Klimaentscheidung des BverfG (Beschluss vom 24.03.2021 – 1 BvR 2656/18 u.a.) nicht angemessen.

Denn damit wird den Menschen in den Orten und in der Region eine weitere, mehrjährige Unsicherheit über die Zukunft ihres persönlichen Lebensraumes zugemutet. Das gilt für diejenigen, die bleiben wollen, ebenso wie für jene, die im Prozess der Umsiedlung sind. Diese äußerst belastende Unsicherheit ist nicht zumutbar und nicht zu rechtfertigen. Sie ist nicht sozialverträglich.

Die Studie des DIW (Deutsches Institut für Wirtschaft Berlin) vom Mai 2020 und ein vom Bundesministerium für Wirtschaft zurückgehaltenes Gutachten zeigen unter Auswertung der maßgeblichen Kriterien und Prognosen, dass eine energiepolitische Notwendigkeit des Tagebaus Garzweiler II in der von der Leitentscheidung vorgegebenen Größenordnung nicht vorliegt und die Dörfer daher erhalten werden können. Selbst bei Ausnutzung des Budgets aus dem Kohlekompromiss gibt es technische Möglichkeiten zur Verkleinerung des Tagebaus Garzweiler II und damit zum Erhalt der Dörfer. Eine Wirtschaftlichkeit der Kohleverstromung wird zudem durch die steigenden CO2-Preise und die Abkehr vieler institutioneller Anleger der RWE-AG spätestens 2025 beendet sein.

Wir fordern die Landesregierung NW auf, die aktuelle Leitentscheidung zu ändern und die zeitliche Befristung für den Erhalt der Dörfer in eine dauerhafte Sicherung umzuwandeln. Der Erhalt der Dörfer und vor allem der wertvollen landwirtschaftlich nutzbaren Bodenflächen im Bereich des Abgrabungsgebiets muss garantiert werden.

Dabei sind die legitimen Interessen der unterschiedlichen Gruppen gleichermaßen zu berücksichtigen: Derer, die umgesiedelt sind und am neuen Wohnort bleiben wollen; derer, die in den Orten bleiben wollen; derer, die noch umsiedeln wollen und derer, die umgesiedelt sind und zurückkehren wollen.

Eine solche Neuorientierung ist eine große Herausforderung, die aber zugleich die Möglichkeit bietet, die gesellschaftlichen Konflikte um die Tagebaue und in den Tagebaugebieten zu befrieden und dauerhaft zu lösen.

Zudem fordern wir eine stärkere Weiterentwicklung und Förderung regenerativer Energien und nachhaltiger Wirtschaftsformen für die Region. Damit kann die Reduktion des Tagebaus Garzweiler II auch ein wichtiges Zeichen für die Zukunftsfähigkeit eben dieser Region sein.

Auch über die Region hinaus sind die Beendigung der Kohleverstromung und der CO2-Emissionen wichtige Faktoren für eine nachhaltige Zukunftsentwicklung. Das ist notwendig, um die Pariser Klimaziele zu erreichen und um mehr Klimagerechtigkeit zwischen den Generationen und den Ländern herzustellen. Das BverfG hat in seinem Beschluss vom 24.03.21 diese Richtung aufgezeigt und unsere Auffassung bestätigt:
"Das verfassungsrechtliche Klimaschutzziel des Art. 20a GG ist dahingehend konkretisiert, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur dem sogenannten "Paris-Ziel" entsprechend auf deutlich unter 2°C und möglichst auf 1,5°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Um das zu erreichen, müssen die ... noch erforderlichen Minderungen.... immer dringender und kurzfristiger erbracht werden."

Die in der Leitentscheidung vorgesehene Reduktion reicht nicht aus. Die mit der Erreichung der Pariser Klimaziele kompatible noch zu fördernde Kohlemenge liegt bei maximal 280 Millionen Tonnen, wie durch das DIW Gutachten vom Mai 2020 berechnet wurde. Es geht dabei – anders als die Leitentscheidung - von einem CO2-Budget Ansatz aus. Mit einem solchen Budgetansatz im Blick auf die Pariser Klimaziele arbeiten auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen und das Katholische Büro Berlin.

Die neuen, verschärften Klimavorgaben der EU und der von Präsident Biden initiierte internationale Klimagipfel zielen auf einen Kohleausstieg bis 2030.Die Landesregierung NW hat die Chance und die Verantwortung, die Leitentscheidung 2021 zu korrigieren und einen mutigen Schritt in eine ökologisch und sozial nachhaltige Zukunft zu machen.

Wir bitten um erneute Überprüfung der aktuellen Leitentscheidung unter Berücksichtigung unserer Ausführungen und unserer im Anhörungsverfahren bereits vorgetragenen Argumente.

Mit freundlichen Grüßen
Diözesanrat der Katholiken im Bistum Aachen
Katholikenrat Region Mönchengladbach
Katholikenrat Region Düren
Katholikenrat Region Heinsberg
Regionalteam Heinsberg
KAB Katholische Arbeitnehmer Bewegung