Ansprache Aachener Friedenskreuz am 1. August 2021

von Manfred Esmajor

Aachener Friedenskreuz
Datum:
Mo. 23. Aug. 2021
Von:
Manfred Esmajor

Liebe Pilgerinnen und Pilger des Kreuzwegs für die Schöpfung
ich freue mich, dass heute dieses Kreuz mit seiner besonderen Geschichte an diesen Platz hier vor der Abbruchkante gestellt wurde, um euch zu begrüßen.

Ich kenne es aus Kindertagen, wenn ich mit meinem Vater zum Gottesdienst in den Aachener Dom ging. Damals machte mir das Gesicht Angst! Ich schreckte als Kind intuitiv vor der Gewalt zurück, die in diesem Gesicht zu spüren ist. Später lernte ich bald: Es ist nicht die Gewalt, die verübt wird, sondern es ist die Gewalt die erlitten wird – um die geht es bei diesem Gesicht. 

Ihr Pilgerinnen und Pilger habt das Transparent getragen mit den Worten von Papst Franziskus: „Diese Wirtschaft tötet!“ Dieses Gesicht ist das Antlitz derer, die von dieser Wirtschaft ausgebeutet, beraubt, betrogen, entwürdigt, zum Werkzeug erniedrigt, gequält, verletzt, misshandelt und letztlich getötet werden. Zugleich damit zeigt uns dieses Gesicht nicht nur den Menschen als Opfer, sondern es ist auch ein Gleichnis für die geschundene, ausgebeutete und missachtete Schöpfung. Weil beides zusammengehört, deswegen steht dieses Kreuz hier an der Abbruchkante.

Es trägt den Namen „Aachener Friedenskreuz“. Männer, die im Krieg Soldaten der deutschen Wehrmacht waren, erstellten und gestalteten 1947 nach ihrer Heimkehr dieses Kreuz als Symbol der Reue und der Sühne für – so hieß es damals – „die Verbrechen, die von Deutschem Boden ausgegangen waren“. Sie beließen es nicht bei der Anfertigung eines Gegenstandes, sondern sie schleppten dieses 3 Zentner schwere Kreuz durch das zerstörte Bistum Aachen von Ort zu Ort, angefangen von Krefeld bis hinab in die Dörfer der Eifel. Das Tragen, die Bewältigung der Last gehört zu dem Symbol des Kreuzes dazu.

So trugen wir es später als pax christi abschnittweise wieder durch das Bistum Aachen, als in der sogenannten „Nach“rüstungsdebatte der Rüstungswettlauf eine Schraubendrehung weiter gedreht wurde. Und wir dachten dabei auch an die Ausplünderung und Gefährdung der Schöpfung und gingen damit nach Hambach und fuhren damit nach Wackersdorf - von wo damals ja das Vorbild eures jetzigen Kreuzweges ausgegangen war.

Weil es aber darum geht, Auswege aus dieser Todesstruktur zu finden, steht dieses Kreuz mit seinem Antlitz nicht nur für Schrecken, sondern auch für eine Erneuerung der Welt, für  eine Hoffnung auf fundamentale Veränderung. Dafür brauchen wir Christen das bildhafte Wort: Auf – er – stehen, aufstehen, aus dem Staub und dem Tod aufstehen.

Wie wir jetzt zwar Täter sind, aber zugleich mit unsern Opfern zusammen selbst Opfer unserer eigenen falschen Lebensweise werden, können wir nur mit allen zusammen aus dem Elend aufstehen. Auch auf diese Gemeinschaft weist dieses Kreuz hin, indem es von mehreren Personen getragen werden muss. Männer aus der Steuerungsgruppe der Männerseelsorge im Bistum Aachen wollen an die Urheber dieses Gedankens anknüpfen und das Kreuz aufnehmen. Das ist auf diesem historischen Hintergrund schon eine Männersache - die Soldaten waren ja Männer –, aber natürlich tragen längst Frauen und Männer diese Bewegung gemeinsam.

1950 wurde das Kreuz auf eine Wallfahrt nach Rom mitgenommen, und der damalige Papst gab den Pilgern den Auftrag: „Nehmt dieses Kreuz auf, wann immer der Friede auf dieser Welt in Gefahr ist!“ Das ist ein Aufruf zur Wachsamkeit, denn es gilt, aufmerksam zu bleiben für jegliche Gefährdung des Friedens, aufmerksam gerade gegenüber Verbrechen, die gerne versteckt oder beschönigt und gar zu Wohltaten umgedeutelt werden.

Weil es um Wachsamkeit geht, ist es gut, dass wir mit diesem Kreuz hier an der Mahnwache Lützerath stehen. Das hatte zwar zunächst einen praktischen Grund, aber natürlich ergibt es auch einen aussagekräftigen Sinn: Hier an dieser Mahnwache leben seit einem Jahr Menschen, die für uns und an unserer Stelle diesen Ort ununterbrochen im Auge behalten.

Nun soll also das Kreuz von hier aus wieder getragen werden und euch, liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kreuzweges, auf dem allerletzten kleinen Stück eures langen ereignisreichen Weges begleiten, auf dem ihr angefeindet wurdet, auf dem ihr die Botschaft, die aus diesem Kreuz spricht, selbst in eurer Person vier Wochen lang mit euch getragen habt!